Kaiser-Muehlecker, Reinhard by Schwarzer Flieder

Kaiser-Muehlecker, Reinhard by Schwarzer Flieder

Autor:Schwarzer Flieder
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


11

Der folgende Tag stand ganz zu ihrer Verfügung. Ferdinand erwachte erst gegen Mittag, fühlte sich zerschlagen und sehr müde und nicht im Geringsten ausgeschlafen. Philipp und Boris hatten den Vormittag genutzt, um die Umgebung zu erforschen, und waren erneut schläfrig, als Ferdinand aufwachte. Nach dem Mittagessen – man brachte ihnen neben gebratenem Huhn und Reis auch ein wenig Fleisch von dem Kaiman, Fleisch vom Schwanz, das nach Fisch und Huhn zugleich schmeckte – erzählte Ferdinand auf Drängen der Freunde von dem nächtlichen Abenteuer, und nun bereuten die beiden doch, nicht dabei gewesen zu sein. Das Getränk, das Ferdinand getrunken hatte, war ihnen bekannt. Es hieß Bombita – kleine Bombe. Ferdinand fand den Namen treffend. Es war ein Gemisch aus Pulverfruchtsaft und fast reinem, aus Zuckerrohr hergestelltem Industriealkohol – der billigste Rausch, den man sich besorgen konnte.

Boris und Philipp taten gar nichts. Dabei wurden sie schlafbedürftiger und träger denn je. Sie legten sich in ihre Hängematten und dösten. Ferdinand indes machte einen langen Gang, der ihn weit von den Gutsgebäuden entfernte. Er begegnete großen Rinder-, Schaf- und Pferdeherden, manchem Wasserloch und vielen einzeln stehenden Bäumen, die Rinde häufig voller Tierhaare, die die kleinste Windbewegung anzeigten. Das sumpfige und unter Wasser stehende Gebiet fand er nicht wieder. Erschöpft und immer noch von dem Glück des Vortags erfüllt, kehrte er zu dem Haus zurück. Die Dämmerung war nicht mehr fern. Zum Abendessen gab es den landestypischen Eintopf, der von den Österreichern immer mit Misstrauen gelöffelt wurde – allzu stark war der Verdacht, die Reste der vergangenen Woche vorgesetzt zu bekommen. Die Alte hatte das Essen gebracht und war wieder verschwunden. Eine Stunde später klopfte es erneut. Aber nicht sie stand in der Tür, sondern der Junge. Er räumte den Tisch ab. Der Lastwagen war noch nicht zurück; Boris fragte den Jungen, ob er wisse, wann er komme.

»Gleich«, sagte der Junge. Bevor er ging – er stand schon in der Tür –, sagte er wie nebenher etwas. Philipp fragte etwas, sehr kurz. Der Junge antwortete in mehreren Sätzen und ging. Ferdinand fragte, was er gesagt habe.

Philipp antwortete: »Er hat gesagt, ›er‹ wolle dich sehen. Ich fragte, wer ›er‹ sei. Da antwortete er, es handle sich um den Gutsbesitzer. Er möchte dich sehen. Er hat deinen Vater – Don Pablo, sagte er – gekannt.«

Ferdinand überlegte keine Sekunde. »Aber du musst mitkommen. Ich verstehe doch nichts. Und der Mann wird nicht Englisch sprechen … nicht wahr?«

»Boris soll mitgehen. Er spricht besser Spanisch als ich. Und hier reden sie ja noch einmal verwaschener als in der Stadt … als dort … Ich verstehe den Jungen gerade eben so …« Es war ihm anzumerken, dass er gerne mitgekommen wäre.

Kurz darauf gingen Ferdinand und Boris schweigend über das stellenweise schon jetzt, kurz nach der Regenzeit, wieder krachtrockene Gras zu dem Hauptgebäude hin, wo in einigen Fenstern Licht schimmerte. Es war ihnen nicht bang, nicht dem einen, nicht dem anderen, doch dass sie so gar nicht wussten, nicht einmal ahnten, was sich ihnen in jenem Licht zeigen würde, machte sie zumindest schweigsam.



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